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Kartellrecht im Wandel

Written by Dr. Nils Ellenrieder, LL.M. on 27 May 2022
Kartellrecht im Wandel

Das neue Vertriebskartellrecht und ein Überblick über die neuen Kartellrechtsvorschriften für Interaktionen mit Wettbewerbern 

 

Die Kartellrechtsregeln im europäischen Kartellrecht, die auch das deutsche Kartellrecht im Wesentlichen bestimmen, werden aktuell reformiert. Kurzfristig steht das Inkrafttreten der Neujustierung des Vertriebskartellrechts in Form der neuen Vertikalregeln an, sodass der Artikel in diesem Bereich den Schwerpunkt setzt. Dies betrifft Vertriebsverträge, aber auch alle Bezugs- und Lieferverträge und hat somit eine praktisch herausragende Bedeutung für den (Online-)Handel. Die Reform der Horizontalregeln, also für Interaktionen mit Wettbewerbern, folgt zeitnah. Die Entwürfe der Europäischen Kommission hierzu liegen bereits vor. Dies betrifft Kooperationen zwischen Wettbewerbern wie etwa bei Einkauf, Produktion oder Vertrieb, aber auch das stets im Fokus stehende Thema des Informationsaustauschs.

Das Kartellrecht ist mit Blick auf Reformen aktuell sehr dynamisch. Nach der 10. GWBNovelle in Deutschland aus dem letzten Jahr und verschiedenen weiteren Reformvorhaben auf europäischer Ebene, die sich primär auf die Digitalisierung beziehen, fokussiert sich dieser Artikel auf die Reformen der Europäischen Kommission zu den zentralen Regelungen des europäischen Kartellrechts, den Vertikal- und Horizontalregeln. Die Vertikalregeln betreffen Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die grundsätzlich auf unterschiedlichen Wertschöpfungsebenen agieren, also typischerweise Nichtwettbewerber. Eine Sonderstellung nimmt der duale Vertrieb ein. Die Horizontalregeln betreffen Interaktionen zwischen (aktuellen und potenziellen) Wettbewerbern.

Vertikalregeln

Die sog. Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen (sog. Vertikal-GVO) und die erläuternden sog. Vertikalleitlinien bieten den sicheren Hafen (safe harbour) für alle potenziell wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, bei denen die Beteiligten grundsätzlich auf unterschiedlichen Ebenen der Wertschöpfungskette agieren. Die aktuelle Vertikal-GVO 2010 läuft im Mai dieses Jahres aus und die Kommission hat das zum Anlass genommen, die Vorschriften im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrzehnts mit Blick auf den digitalen Wandel zu überarbeiten. Das Grundkonzept bleibt bestehen: Sofern der Anwendungsbereich eröffnet ist, die Marktanteilsschwellen für Anbieter und Abnehmer in Höhe von 30 Prozent Marktanteil eingehalten sind und keine Kernbeschränkungen vorliegen, ist die Vereinbarung auch nach der Vertikal-GVO 2022 gruppenfreistellungsfähig.

Zentrale Eckpunkte der Novelle betreffen die folgenden Aspekte:

Online(vermittlungs)plattformen

Die neue Vertikal-GVO reguliert erstmals Onlineplattformen und führt eine entsprechende Definition ein. Sogenannte Onlinevermittlungsplattformen im Sinne der Wortwahl der Vertikal-GVO werden als Dienste definiert, die es Unternehmen ermöglichen, anderen Unternehmen oder Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Ihr Angebot besteht also in der Vermittlung direkter Transaktionen zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und Endverbrauchern. Künftig wird eine Onlinevermittlungsplattform als eigenständiger Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten gelten. In der Folge gilt also das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (sog. Kartellverbot) und die Vertikal-GVO muss eingehalten werden.

Sogenannte weite Meistbegünstigungsklauseln, bei denen sich Unternehmen gegenüber einer Onlinevermittlungsplattform verpflichten, nicht zu günstigeren Konditionen auf anderen Vertriebswegen (online und offline) anzubieten, sind über die Vertikal-GVO nicht mehr freistellungsfähig. Die Freistellung einer sog. engen Meistbegünstigung, d. h. eine Verpflichtung, im Direktvertrieb nicht günstiger anzubieten, ist aber grundsätzlich denkbar. Sofern die Plattform hybrid agiert (ähnlich einem dualen Vertriebsansatz), also auch selbst Waren oder Dienstleistungen als Händler anbietet, ist es wichtig zu wissen, dass künftig Vereinbarungen zwischen Plattform und dritten Unternehmen nicht über die Vertikal-GVO 2022 freistellungsfähig sind.

Dualer Vertrieb

Der Entwurf der Kommission hat zum klassischen dualen Vertrieb, wenn also Hersteller im Direktvertrieb wie auch über Distributoren vertreiben, eine sehr weitreichende Veränderung vorgesehen. Wettbewerbsbeschränkungen, die den Wettbewerb zwischen Herstellern und Distributoren des eigenen Produkts betreffen (sog. markeninterner Wettbewerb, der kartellrechtlich auch als schützenswert eingestuft wird), sind unter der Vertikal-GVO nur noch unter strengeren Voraussetzungen freigestellt.

Eine (umfassende) Gruppenfreistellung erfolgt, wenn keine schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen vorliegen sowie der gemeinsame Marktanteil des Herstellers und des betroffenen Händlers auf der Einzelhandelsebene zusammen nicht mehr als zehn Prozent beträgt. Bei einem gemeinsamen Marktanteil zwischen zehn und 30 Prozent ist eine nähere Prüfung erforderlich.

Aus praktischer Sicht wurde massiv kritisiert, dass keine Rechtssicherheit geboten wird für das wichtige Thema des Informationsaustauschs bei der Abwicklung des Verhältnisses zwischen Hersteller und Händler. Die Kommission hat daraufhin nachgebessert und Erläuterungen entworfen, welche die Kommission in den Vertikalleitlinien als Ausführungen für die kartellrechtliche Bewertung des Informationsaustauschs in Fällen des dualen Vertriebs integrieren möchte.

Alleinvertrieb, selektiver Vertrieb und sonstiger Vertrieb

Die neuen Vertikalleitlinien trennen nun klar(er) zwischen den verschiedenen Vertriebssystemen Alleinvertrieb, selektiver Vertrieb und sonstiger Vertrieb.

Beim Alleinvertrieb stellen nach aktueller und neuer Vertikal-GVO Beschränkungen des Gebiets oder der Kundengruppe, an die aktiv oder passiv verkauft werden darf, eine Kernbeschränkung dar. Als Ausnahme ist das Verbot des aktiven Verkaufs in Exklusivgebiete freigestellt. Bislang war Voraussetzung für die Freistellung, dass ein Exklusivgebiet einem einzelnen Händler zugewiesen ist. Nach der Vertikal-GVO 2022 wird es ausreichend sein, wenn sich eine begrenzte Anzahl von Abnehmern das Vertragsgebiet teilt. Dies bietet für Hersteller mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung eines Alleinvertriebssystems.
Zudem soll auch eine Durchreichung von Vertriebsbindungen möglich sein, d. h. ein Hersteller kann verlangen, dass Händler das Verbot aktiver Verkäufe an andere Alleinvertriebsgebiete oder Gebiete mit einem selektiven Vertriebssystem durchreichen.

Der selektive Vertrieb zeichnet sich dadurch aus, dass der Hersteller eine beschränkte Zahl von Händlern auf der Basis von festgelegten Kriterien auswählt. Auch hier ist es grundsätzlich als Kernbeschränkung untersagt, das Gebiet oder die Kundengruppe, an die aktiv oder passiv verkauft werden darf, zu beschränken.

Künftig sollen einige Ausnahmen möglich sein, die insbesondere den aktiven Verkauf in ein exklusives Vertriebsgebiet, den aktiven und passiven Verkauf an nicht zugelassene Händler in einem selektiven Vertriebsgebiet sowie den Niederlassungsort des zugelassenen Händlers betreffen.

Klargestellt wird, dass selektiver Vertrieb und Alleinvertrieb kombinierbar und gruppenfreigestellt sein können. Dies bedeutet, man kann grundsätzlich benachbarte Gebiete definieren mit einem gemischten Ansatz von Alleinvertrieb und Selektivvertrieb.

Wettbewerbsverbote

Im Rahmen der Wettbewerbsverbote kommt es zu einer Veränderung bei sogenannten „evergreens“. Wettbewerbsverbote, also in der Praxis insb. Abnahmeverpflichtungen, die 80 Prozent des Kundenbedarfs überschreiten, dürfen fünf Jahre nicht überschreiten, etwa durch automatische Verlängerungen. Automatische Verlängerungen sollen künftig aber im Einzelfall möglich sein, wenn für den Abnehmer nach fünf Jahren die effektive Möglichkeit des Anbieterwechsels sichergestellt ist.

Onlinevertrieb

Insgesamt dient die Neujustierung der Vertikal-GVO im Wesentlichen auch der Überarbeitung im Lichte des rasanten Wachstums des Onlinehandels. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass es hier viele interessante neue Inhalte gibt, die gleichsam die Behördenpraxis und gerichtliche Praxis widerspiegeln.

Es wird übergeordnet der Grundsatz betont, dass der sog. effektive Internetvertrieb für Händler stets möglich sein muss. Einschränkungen dieses Grundprinzips gelten grundsätzlich als Kernbeschränkung und sind somit besonders risikobehaftet (insbesondere im Hinblick auf eine Bußgeldgefahr und ggf. Schadensersatzforderungen).

Alle Online-Verkaufsbeschränkungen, die bezwecken, Abnehmer oder ihre Kunden unmittelbar oder mittelbar daran zu hindern, das Internet wirksam für den Online-Verkauf ihrer Waren oder Dienstleistungen zu nutzen, sind als Kernbeschränkung von der Freistellung nach der Vertikal-GVO 2022 prinzipiell ausgeschlossen. Diese Kernbeschränkung kann durch direkte und indirekte Maßnahmen erzielt werden. Direkt geschieht das beispielsweise dadurch, dass eine Verpflichtung besteht, nicht an bestimmte Kunden zu verkaufen, oder die Verpflichtung, Bestellungen an andere Händler weiterzuleiten. Indirekt etwa dadurch, dass Prämien für den Fall solcher Verkäufe reduziert werden.

Neben dem direkten Verbot, das Internet als Vertriebskanal zu nutzen, gibt es viele weitere Beispiele für Verpflichtungen, die direkt oder indirekt darauf abzielen, Händler daran zu hindern, das Internet effektiv zu nutzen, um ihre Waren oder Dienstleistungen überall, in bestimmten Gebieten oder an bestimmte Kundengruppen online zu verkaufen.

In den folgenden Konstellationen ist eine Gruppenfreistellung beispielsweise nicht gegeben:

  • ein generelles Verbot der Nutzung von Preisvergleichsportalen
  • ein generelles Verbot der Weitergabe von Preisdaten an Preisvergleichsportale
  • eine Anforderung, nach der der Abnehmer seine Website nur in seinem eigenen Gebiet zugänglich machen darf
  • eine Anforderung, dass der Abnehmer Online-Transaktionen von Verbrauchern beenden muss, wenn die Kreditkartenadresse außerhalb seines Gebiets liegt
  • eine Vorgabe, wonach der Händler nur in einem physischen Raum oder in physischer Anwesenheit des Fachpersonals verkaufen darf
  • eine Anforderung, dass der Händler die Warenzeichen oder Markennamen des Anbieters nicht auf seiner Website verwenden darf
  • ein direktes oder indirektes Verbot, einen bestimmten Online-Werbekanal (etwa Werbung in Suchmaschinen) zu nutzen

Hingegen ist beispielsweise in den folgenden Konstellationen eine Freistellung über die Vertikal-GVO 2022 denkbar:

  • Sog. Doppelpreissysteme sollen nicht mehr als Kernbeschränkung gelten. Hersteller sollen unterschiedliche Preise für Online- und Offlineverkäufe desselben Händlers festsetzen können, um unterschiedlich hohe Investitionen des Händlers in den jeweiligen Kanal ausgleichen zu können.
  • Auch Mengenverkaufsvorgaben können gruppenfreistellungsfähig sein.
  • Qualitätsanforderungen an den Online-Shop sollen grundsätzlich möglich sein.
  • Auch sind Anforderungen hinsichtlich der Onlinewerbung in Grenzen möglich
  • Schließlich können auch Plattformverbote nach der Vertikal-GVO 2022 freistellungsfähig sein, und dies grundsätzlich vertriebsformunabhängig.

Preisbindung

Die klassische Kernbeschränkung der vertikalen Preisbindung bleibt bestehen, insbesondere Preisvorgaben und Mindestpreise sind also verboten. Interessant ist allerdings, dass der Einsatz von Preisüberwachungssoftware nicht automatisch als Preisbindung zu werten ist und auch Preisvorgaben bei Erfüllungsverträgen möglich sein können. Eine Ausnahme des Verbots der vertikalen Preisbindung für Aktionen ist in Grenzen weiterhin möglich.

Handelsvertreterprivileg

Das Handelsvertreterprivileg bleibt bestehen, d. h., im Falle der Übernahme der wesentlichen Risiken durch den Hersteller gilt ein Handelsvertreter weiterhin als „verlängerter Arm“ und das Kartellverbot greift nicht.

Fazit

Insbesondere die Änderungen zu Onlineplattformen, zur dualen Distribution und zum Onlinevertrieb sind hervorzuheben, aber auch im Übrigen gibt es viel praxisrelevante Neuerungen. Für Altvereinbarungen gibt es eine Übergangsfrist von einem Jahr, die genutzt werden sollte, um etwaige Anpassungsnotwendigkeiten an die neue Rechtslage umzusetzen. Für neue Vereinbarungen gilt das neue Recht mit Inkrafttreten, also spätestens ab Juni 2022. Die noch ausstehenden finalen Fassungen werden voraussichtlich keine sehr wesentlichen Änderungen mehr enthalten.

 

Horizontalregeln

Die Horizontalregeln für Interaktionen zwischen Wettbewerbern bestehen aus den zentralen Horizontalleitlinien und zwei Gruppenfreistellungsverordnungen, die den Forschungs- und Entwicklungsbereich sowie sogenannte Spezialisierungsvereinbarungen betreffen.

Im Fokus der Überarbeitung durch die Kommission stehen zwei Themen: die Digitalisierung und die Entwicklung mit Blick auf die Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen. In diesem Beitrag soll der Fokus auf dem Entwurf der neuen Horizontalleitlinien (nachfolgend Entwurf) liegen, die das zentrale Regelwerk für Interaktionen zwischen Wettbewerbern im europäischen Kartellrecht darstellen. Die neuen Horizontalleitlinien werden Anfang 2023 in Kraft treten, sodass hier durchaus noch mit einigen wesentlichen Änderungen auch im Lichte der enthaltenen Kommentare gerechnet werden kann. Zentrale Eckpunkte des Entwurfs vom 1. März 2022 betreffen die folgenden Aspekte.

Gemeinsamer Einkauf

Hinsichtlich der Kooperation im Einkauf wurde ein neuer Abschnitt zur Abgrenzung zwischen verbotenen Einkaufskartellen und zulässiger Einkaufskooperation eingefügt, was im Einzelfall die Rechtssicherheit erhöhen kann. Im Übrigen ist wichtig, dass die Marktanteilsgrenzen für unbedenkliche Kooperationen in Höhe von 15 Prozent für den Fall der Nichtexistenz bezweckter Beschränkungen bestehen bleiben sollen.

Vermarktungsvereinbarungen

Bei Vermarktungskooperationen zwischen Wettbewerbern bleibt es ebenfalls voraussichtlich bei der bisherigen Marktanteilsgrenze von 15 Prozent im Sinne einer Unbedenklichkeitsschwelle, wenn keine Hardcorebeschränkungen vorliegen. Es gibt einen neuen Abschnitt zu Besonderheiten bei Agrarprodukten sowie zu Kooperationen in Form von Bietergemeinschaften.

Informationsaustausch

Eine hohe Praxisbedeutung hat die Thematik des Informationsaustauschs zwischen Wettbewerbern, da der Austausch insbesondere über Verbände einerseits volkswirtschaftlich wünschenswert und enorm wertvoll ist, jedoch andererseits im Falle des Austauschs sogenannter strategischer Information als wettbewerbsbeschränkend eingeordnet werden kann. Die behördliche Praxis in den letzten Jahren hat kartellrechtswidrigen Informationsaustausch intensiv bußgeldrechtlich verfolgt. Der Entwurf greift viele Aspekte auf, die im Laufe der letzten Jahre wichtig waren. So werden weitere Hinweise gegeben, wie die Selbsteinschätzung im Bereich der Abgrenzung zwischen öffentlicher/nicht öffentlicher Information, der Aggregierung von Daten, der Bestimmung von historischen Daten, der einseitigen Offenlegung von Information sowie für den Fall des indirekten Austauschs von Information mit einem Wettbewerber über Dritte zu erfolgen hat.

Hinweise bietet der Entwurf auch für den Einsatz von Algorithmen und die entsprechenden Risiken für einen kartellrechtswidrigen Informationsaustausch. Praxisrelevant sind ebenso die Anmerkungen, wie die Nutzung und der Zugang zu Daten kontrolliert bzw. eingeschränkt werden kann. Auch die Hinweise der Kommission zur Einordnung des Informationsaustauschs im Rahmen regulatorischer Initiativen und M&A-Transaktionen sind im Einzelfall praktisch von hoher Relevanz.

Standardisierungsvereinbarungen

Im Bereich Standardisierung gibt es in dem Entwurf ebenfalls neue Aspekte, die hier nur kurz angerissen werden können. So gibt es eine differenzierte Betrachtung zu Standardbedingungen und Standardisierungsvereinbarungen. Des Weiteren gibt es wertvolle Hinweise zu den sog. FRAND(fair reasonable and non discriminatory)-Bedingungen bei Lizenzgebühren.

Nachhaltigkeit

Der lange Abschnitt zu Nachhaltigkeitsvereinbarungen und Nachhaltigkeitsstandards ist aufgrund des hohen Bedarfs an mehr Kartellrechtssicherheit in diesem Bereich von zentraler Bedeutung. Nachhaltigkeit wird dabei durchaus breiter verstanden und bezieht nicht nur Umweltinitiativen, sondern auch soziale Aspekte wie etwa Menschenrechtsinitiativen ein. Für Nachhaltigkeitsstandards wird ein „soft safe harbour“-Konzept eingeführt, sofern die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:

  • keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung
  • transparentes und offenes Verfahren
  • keine Verpflichtung für Nichtteilnehmende
  • Freiheit für Einzelne, höhere Standards zu setzen
  • kein Austausch strategischer Informationen über das für die Vereinbarung notwendige Maß
  • effektiver und nicht diskriminierender Zugang zum Standard
  • kein signifikanter Preisanstieg oder signifikante Reduktion der Produktvielfalt
  • Kontrolle, dass die teilnehmenden Unternehmen den Standard auch befolgen

 

Fazit

Der Entwurf der Horizontalregeln behandelt viele der Kernthemen, die in der Beratungspraxis im Fokus stehen. Die Feinabstimmung wird zeigen, ob der Bedarf nach Guidance für die Selbsteinschätzung von Unternehmen und Verbänden im Einzelnen noch weiter verschärft werden kann. Gerade in den Bereichen, die hohe Bußgeldrisiken mit sich bringen (Abgrenzung zur Schwelle der Hardcorebeschränkung), muss für die Selbsteinschätzung ein maximal mögliches Maß an Kartellrechtssicherheit gewährleistet sein. Aber auch darüber hinaus ist es für Wirtschaftsteilnehmer wichtig, dass Interaktionen zwischen Wettbewerbern zeitnah und effizient kartellrechtlich bewertet werden können, damit wirtschaftlich wertvolle Prozesse nicht unnötig blockiert werden.