Vertikale Beschränkungen des grenzüberschreitenden Handels im Fokus der EU Kommission
Die Europäische Kommission hat im Nachgang zu ihrer E-Commerce-Sektoruntersuchung (https://ec.europa.eu/competition/antitrust/sector_inquiries_e_commerce.html) jüngst in verschiedenen Fällen Bußgelder gegen Hersteller verhängt, die ihren Lizenznehmern durch verschiedene Regelungen untersagte, außerhalb der Ihnen vertraglich zugewiesenen geographischen Gebiete das betreffende Produkt zu verkaufen. Bislang hat dies seit Ende 2018 zu Bußgeldern gegen Guess (EUR 40 Millionen), Nike (EUR 12, 5 Millionen) und Sanrio (EUR 6,2 Millionen) geführt. Schließlich hat die Kommission Ende Januar 2020 ein Bußgeld gegen NBCUniversal (EUR 14,3 Millionen). Dass jedenfalls immer absolute Einschränkungen des grenzüberschreitenden Handels mit hohen Bußgeldern belegt werden und bei der Kommission im Fokus stehen, wird aktuell sehr deutlich.
Im Fall Guess ging es um ein sog. qualitatives selektives Vertriebssystem, d.h. Guess wählt seine Vertragshändler auf Basis qualitativer Kriterien aus. Im Grundsatz ist dies im Fall von Guess nicht zu beanstanden gewesen. Die weiteren kartellrechtlichen Vorgaben waren aber nach den Feststellungen der Kommission in mehrfacher Weise verletzt. Verbraucher müssen das Recht haben, Waren bei jedem von einem Hersteller zugelassenen Händler zu erwerben, auch wenn letzterer in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Gleichzeitig muss es den zugelassenen Einzelhändlern freistehen, die unter den Vertriebsvertrag fallenden Produkte über das Internet anzubieten, für sie auch in anderen Mitgliedstaaten zu werben und sie grenzüberschreitend zu verkaufen. Durch die Vorgaben von Guess gegenüber den Vertragshändlern und die Nichtbeachtung vorgenannter Grundsätze wurde laut Kommission der Handel innerhalb der Union abgeschottet.
Im Fall von Nike ging es hingegen es um nicht ausschließliche Lizenz- und Vertriebsverträge, die in verschiedener Weise gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstießen. Die Verträge enthielten ein ausdrückliches Verbot von Auslandsverkäufen, einer Verpflichtung zur Weiterleitung von Bestellungen aus dem Ausland an Nike sowie Klauseln, wonach doppelte Lizenzgebühren bei Auslandsverkäufen fällig wurden. Durch indirekte Maßnahmen wurden die Beschränkungen verstärkt. Ebenfalls hat Nike Generallizenznehmern direkte und indirekte Beschränkungen auferlegt.
Der Fall Sanrio wiederum hat starke Ähnlichkeit zu den Beschränkungen im Fall Nike. Bei der Sanrio Company Ltd. handelt es sich um ein japanisches Unternehmen, das für das Design, die Lizenzvergabe, die Herstellung und den Vertrieb von Hello Kitty-Produkten verantwortlich ist. Das Produktangebot an lizensierten Merchandising-Artikeln ist extrem groß. Alle Produkte tragen allerdings ein oder mehrere Logos oder Bilder, die durch die Rechte des geistigen Eigentums (IPR) wie Warenmarken oder Urheberrecht geschützt sind. Sanrio setzte nach den Feststellungen der Kommission in nicht-ausschließlichen Lizenzvereinbarungen eine Reihe direkter Maßnahmen zur Beschränkung des Verkaufs außerhalb des Vertragsgebiets durch Lizenznehmer durch, z. B. Klauseln, die derartige Verkäufe ausdrücklich untersagten, Verpflichtungen zur Weiterleitung von Bestellungen außerhalb des Vertragsgebiets an Sanrio und Beschränkungen in Bezug auf die auf den Merchandising-Artikeln verwendeten Sprachen. Indirekte Maßnahmen wie Audits und die Nichtverlängerung von Verträgen sollten die Einhaltung der Beschränkungen sicherstellen. Die Kommission schlussfolgerte, dass Lizenznehmer am grenzüberschreitenden Verkauf gehindert wurden und somit eine Abschottung innerhalb des Binnenmarkts erfolgt.
Auch der jüngste Fall UBCUniversal handelte darum, dass nach Auffassung der Kommission UBCUniversal Händler rechtswidrig daran hinderte, Lizenzware im EU-Binnenmarkt frei zu verkaufen. In nicht ausschließlichen Lizenzvereinbarungen erlegten UBC Universal seinen Lizenznehmern demnach eine Reihe direkter Beschränkungen des Verkaufs auf die zugewiesenen Vertragsgebiete, auf die zugewiesene Kunden- oder Kundengruppen sowie mit Blick auf Onlineverkäufe auf. Durch indirekte Maßnahmen sollte die Einhaltung der Beschränkungen sichergestellt werden.
Die Fälle gingen infolge Kooperation jeweils mit einer 30-50%-igen Bußgeldreduktion einher, was prozessual inspiriert und angelehnt an das etablierte Settlementverfahren in Kartellfällen praktiziert wurde (siehe vertiefend
https://ec.europa.eu/competition/publications/data/factsheet_guess.pdf). Der Trend geht auch in vertikalen Hardcorefällen klar Richtung Verfahrensbeendigung qua Settlements.